Von der Afra-Benefiz-Lithographie „Porto San Nicolo“ stehen 140 gerahmte Bilder abholbereit im Keller der Steindrucker in Affenhausen. Im Atelier arbeitet Veronika Gerber an ihrer neuen Lithographie am Stein. Am liebsten hört sie dabei Mozarts Klavierkonzerte.
Wir dürfen zuschauen und die Entstehung einer Steindruck-Lithographie bis zur abschließenden Rahmung dokumentieren.
Die meisten Bilder von Veronika Gerber sind in der Galerie Augustin zu sehen. Ausstellungen gibt es im Wechsel – mal in Wien, mal in Innsbruck. „Das organisiert seit 30 Jahren mein Galerist Peter Augustin“, erzählt die Tiroler Künstlerin. “Uns verbindet eine Zusammenarbeit, die von tiefem Vertrauen geprägt ist.”
Die Kunst des Druckens am Stein ist die Königsdisziplin aller künstlerischer Drucktechniken.
Das gilt heute mehr denn je, bestätigt Veronika Gerber. Die gebürtige Hallerin studierte bei Prof. Peter Prandstetter am Mozarteum. Der Heiligenkreuzer war an der Salzburger Universität von 1976 bis 1993 Hochschulprofessor für Malerei.
„Was von Hand gemacht wird, hatte bei jungen Studierenden schon immer einen hohen Stellenwert. Sie wissen, dass in der Blütezeit digitaler Techniken ein traditionell überliefertes Wissen von unschätzbarem Wert ist.“
Zum Einstieg lernt man, welche Bedeutung die gegensätzlichen Eigenschaften von Fett und Wasser für den Steindruck haben.
Die Zeichnungen mit Kreide-, Feder oder Pinsel sind stark fetthaltig. Die fetthaltige Farbe setzt sich nicht am Stein fest. Sattdessen wird sie wird stattdessen auf den Stein übertragen. Das speziell beschichtete Papier nimmt die Druckfarben an.
Der Solnhofener Plattenkalk gilt noch immer als das beste Lithographie-Gestein. “Weil er glatt ist, ohne Maserungen oder Strukturen”, erklärt Günther Stecher. “Der Kalkstein ist auch gut zu polieren.”
Nach dem Druck werden die Steinplatten abgeschliffen. Jede signierte und nummerierte Lithographie hat deshalb einen exklusiven Wert.
Affenhausen ist für Kunstliebhaber längst kein Geheimtipp mehr. Selbst gestandene Drucker reisen gerne an, um hier ihr Wissen um die Steindruck-Technik zu vertiefen.
„Mein Fachwissen ist reine Kopfsache“, sagt der Steindrucker. „Das sollte ich gelegentlich für die Nachwelt aufschreiben.“ Seine Familie engagiert sich schon seit Jahrzehnten für den Erhalt der alten Drucktechnik.
Günther Stecher lernte sein Handwerk vor vielen Jahren bei Prof. Carlo Ceci in Urbino. Die italienische Stadt, zwischen den Tälern des Metauro und des Foglia, wird ihrem Ruf gerecht, ein berühmtes Druckerzentrum zu sein.
Der Steindrucker hält eine Palette mit Ölfarben in seiner Hand. Die Grundtöne sind überwiegend gelb. Wenn Günther Stecher und Veronika Gerber passende Farben für eine neue Lithographie aussuchen, fühlt man ihre Nähe zueinander. Fachlich wie menschlich.
Die Beziehung zwischen Künstler und Drucker ist vor diesem Hintergrund eine sehr sensible Angelegenheit. Denn nur die gemeinsame Arbeit auf Augenhöhe entscheidet, ob das Werk letztlich gelingt oder nicht.
Eine Lithographie am Stein zu gestalten, ist für berufene Künstlerinnen und Künstler immer eine Herzensangelegenheit.
„Deshalb stimmen wir zu, wenn man uns anbietet, am Stein zu arbeiten. Das sind Höhepunkte im Schaffen kreativer Menschen.“
Das Malen auf Leinwand ist im vergleichbar zur Arbeit am Stein einfach. „Du musst absolut konzentriert sein“, erklärt Veronika Gerber.
„Bei der Ölmalerei übermalst Du einen Fehler ganz einfach. Am Stein darf Dir aber kein Fehler passieren.”
Beim Erzählen schaut die Künstlerin auf ihre Vorlage und zeichnet mit dem Kreidestift dunkle Schraffuren auf den Kalkstein.
Die Malerin wirkt in gleicher Weise konzentriert wie entspannt. „Das ist spannend, weil ich in meinen Bildern immer wieder aufs Neue spazieren gehe. Das ist ein stetes Schauen und Genießen.“
Ihre Aufmerksamkeit gilt einem Weg zum Monte Brione. Mit seinen drei Zinnen überragt er das nördliche Gardaseeufer. „Das ist zwischen Torbole und Riva.“ Die Landschaft charakterisieren Felsen, Berge, Wasser und Zitronen. Name und Farben der neuen Lithographie scheinen vorgegeben.
„Eine gelbe Gardaseelandschaft“, will Veronika Gerber unter ihr nächstes Bild schreiben. Während Sie ihre Gedanken ausspricht, wird sie für einen Moment sehr privat.
„Meine Großmutter stammt aus der Gegend. Aus dem Trentino, aus Arco. Deshalb fühle ich mich dort auch so daheim. Ich mag die Menschen und ihre Lebensweise“, sagt sie, ohne dabei ihre Arbeit zu unterbrechen.
Wenn Veronika Gerber von ihrem Trentino spricht, meint sie die Provinz Trient. Das Trentino gilt noch heute als Kronland Südtirols. “Kronländer” – gehörten noch vor ca. 200 Jahren zur Habsburgermonarchie.
Und ihr gefühltes Zuhause, wo ist das? Die Antwort der Malerin klingt etwas verwinkelt.
“Ich lebe in Salzburg. In Bregenz habe ich lange gewohnt. Mein Geburtsort war Hall und ich komme aus Innsbruck. Hier ist meine angestammte Heimat. Die Nummer Eins. Mit Hall und Arco.”
Die Nähe zum Land und seinen Leuten spiegeln ihre Bilder immer wieder. Sie zeigen eine sehr private, intime Welt. Die Künstlerin malt gerne Blumen, Früchte, Landschaften. Auch Gebrauchsgegenstände.
“Ihre Arbeiten charakterisieren eine herbe Poesie,” menit Galerist Peter Augustin. „Die Bilder sind immer streng angelegt. In fast sachlicher Weise reduziert zu großen Formen. Dabei darf das Alltägliche in den Hintergrund treten.“
Starke Farben haben dabei einen großen Gestaltungsanteil. Die Farben werden in Affenhausen noch von Hand gemischt. Die Steindrucker suchen nach den besten Farben weltweit.
„Die ursprünglichsten Pigmentfarben haben die weiteste Anreise“, erklärt Günther Stecher, „viele kommen aus den Anden in Südamerika zu uns in die Tiroler Berge.“
Bei Pigmenten kommt die Farbe direkt aus den bunten Steinen, Metallen und Mineralien.
“Die werden von uns ganz fein gemahlen und dann in Lösungsmitteln aufgelöst.”
Steindrucker Günther Stecher hat sein Handwerk vom Vater gelernt. Über der Werkbank hängt eine Karikatur von ihm. So hätte ihn auch Goscinny oder Uderzo gezeichnet. Walter Stecher, wie man ihn kennt. Humorvoll. Etwas verschmitzt dreinblickend, mit vielsagendem Augenaufschlag.
„Ich bin mir nicht sicher“, sagt der Sohn und zeigt auf das Bild, „kann sein, dass Leander Kaiser ihn so skizziert hat? Vielleicht ja beim Farbmischen.“
Der Innsbrucker hat neben vielen anderen auch schon im Kelleratelier der Familie Stecher lithographiert.
Mit Leander Kaiser waren das so prominente Künstler wie Paul Flora, Herbert Danler, Chryseldis Hofer-Mitterer, Franz Pöhacker, Jos Pirkner, Nino Malfatti, Elmar Kopp, Franz Mölk, August Stimpfl, Patricia Karg, Walter Nagl, Robert Scherer, Anton Christian, und Reiner Schiestl.
Seit August 2020 gehört nun auch Veronika Gerber zu den Afra-Lithographen, die der Kunst am Stein zu bemerkenswerter Popularität verhelfen.
Wie nebenbei beschäftigt sich Günther Stecher mit dem Rahmen der letzten Afra-Lithographie von Veronika Gerber. „Porto San Nicolo“ wurde von ihr im Frühjahr auf 14 Steinen gemalt. Die limitierte Gesamtauflage von 140 Exemplaren war in nur wenigen Tagen ausverkauft.
„Das kam in Einzelfällen schon mal vor“, erinnert sich Annaliese Stecher, „aber – um ehrlich zu sein – so etwas haben wir noch nicht erlebt.“
An der Wand hängen hinter der alten Druckerpresse ein paar Holzrahmen. „Seit über zehn Jahren arbeiten wir mit der Bild- und Rahmen-Werkstatt Auer in Landeck zusammen. Das hat sich bewährt“, erfahren wir von Günther Stecher.
In den Auer’schen Rahmen legt er ein Passepartout und die aktuelle Afra-Lithographie. Er verklebt das Bild mit einem Schutzblatt und dem Zertifikat, unterzeichnet von Veronika Gerber und ihm, dem Steindrucker Günther Stecher. Zum Schluss wird noch ein Nagel fürs Aufhängen eingeklebt.
„Das ist das berühmte Mehr an Schlagobers auf der Melange“, scherzt der Steindrucker. Er hält die gerahmte Lithographie gegen das Licht und prüft, ob noch irgendwo eine unsaubere Stelle zu sehen ist. Dann wird der Rahmen wieder geöffnet, alles noch einmal gründlich gereinigt. Fertig. “Solange, bis es passt.”
Bevor wir uns von diesem freundlichen Ort verabschieden, schauen wir vor unserer Rückreise noch kurz bei dem Urgestein der Tiroler Steindruckergilde vorbei. Mit Walter Stecher und seiner Frau Paula sitzen wir auf der Bank vor ihrem Haus. Im Blickfeld die Afra-Kapelle. Wir reden über all das, was man sich nach längerer Zeit so zu sagen hat.
Dann besuchen wir gemeinsam die Kapelle und danken der Heiligen Afra für den guten Tag. Die Sonne scheint durch die wunderschönen Fenster. Einst gestaltet von Chryseldis Hofer-Mitterer. Die holzgeschnitzte Maria auf dem Altar ist ein Werk von Walter Stecher. “Die Heilige Afra gilt als Namensgeberin von Affenhausen, sagt er. “Deshalb haben wir ihr diese Kapelle gewidmet.” Erbaut wurde sie im 18. Jahrhundert.
Wer einmal hier Gast war, dürfte anschließend einen tieferen Bezug zu den eigenen Lithographien daheim haben.
Allen, die sich für die Kunst am Stein interessieren, sei ein Besuch im Haus der Steindrucker in Affenhausen empfohlen.
Der Grenzgänger bedankt sich für die herzliche Aufnahme bei Annaliese und Günther Stecher. Ganz besonders auch bei Veronika Gerber für ihre zugewandte Offenheit und Geduld.
Wir sehen uns wieder, versprochen.
Kontakt:
Steindruckerei Stecher & Stecher
6413 Wildermieming/Affenhausen
Leite 12
Österreich
Tel: +43 5264 5196
Mail: steindruck@stecher-stecher.at
Web: www.stecher-stecher.at
Weblink:
→ www.veronikagerber.at
(Fotos: Knut Kuckel)