Das machen wir alles selbst“, erzählt Almwirt Jakob Prantl, „jedenfalls das Meiste. Wenn etwas fehlt, gehen wir zum Bauern nebenan.“ Beim Almfrühstück reden wir über wechselhafte Zeiten der Gampe Thaya, 2000 Meter über Sölden.
Zurück auf Anfang. „Habt ihr am nächsten Sonntag Lust auf ein Almfrühstück bei meinem Freund Jakob von der Gampe Thaya?“ fragt Martin seine Freunde. Keine Frage. Dazu haben alle Lust. Wenig später sind wir verabredet. Hüttenwirt Jakob Prantl aus Sölden und Martin Kapeller aus Mieming kennen sich u.a. aus dem Agrarzentrum West. Hier betreiben die Tiroler Braun- und Grauviehzüchter gemeinsamen Handel. Kaufen und verkaufen. So läuft das seit Jahrzehnten.

Martin und Jakob sind beide Gründungs- und Vorstandsmitglieder vom Agrarzentrum Imst. Für ein gemeinsames Glaserl Wein reicht meist meist die Zeit nicht. Das ist heute mal anders.
Unser Weg zur Gampe Alm beginnt am Hühnersteign, der Berg- und Skihütte von Annemarie Grüner. Beim Abstieg werden wir später noch „Mama Weltcup“ unsere persönliche Aufwartung machen.
Der Steig zu den Gampehütten ist in nur 20 Minuten leicht zu bewältigen. Der Weg ist kurz, aber lohnt sich. Es ist nicht nur der überwältigende Fernblick auf die Ötztaler Alpen, das sind vor allem die kleinen Dingen in der Natur, die uns berühren. Blühende und fast reife Grantn, gerade gewachsene Zirben oder die Vielzahl der Almblumen.
Die Gampe Thaya ist Teil der Gampe Alm. Hoch über Sölden gelegen. Im Winter mitten im Skigebiet. Wer drobn ist, hat einen uneingeschränkten Panorama-Blick. Er schaut zum Beispiel auf den über 3000 Meter hohen Gaislachkogel, nah des Ötztaler Gletschers.
Am Gipfelkreuz machen wir ein Erinnerungsfoto, dann folgen wir dem Pfad zur Almwirtschaft Gampe Thaya. Die Inhaber der Gampe Almhütten haben hier ein kleines Alm Museum eingerichtet. Ein Blick hinein lohnt sich. Hier ist viel altes Gerät ausgestellt. Küchen- und Stubenmöbel. Die meisten Menschen gehen mit einer gewissen Demut ins Museum.
Bis auf Max, aus unserer Runde. Bekannt für seine humorvollen Kommentare. „Das fängt schon mal gut an“, sagt er, mit Blick in „Madles Kammer“. Und weiter (zum bessernen Verständnis in meiner Sprache): „Die oft langen Nächte waren hier wohl nicht selten manch freudigem Tun gewidmet.“
Das Almmuseum der Gampe Alm vermittelt Eindrücke aus dem harten Leben früherer Almleute. Das Gehen am Berg, war zu Zeit von existentieller Bedeutung. Wer seine Geschäfte nicht auf dem Fußweg erledigen konnte, hatte in diesen Bergregionen keine Überlebenschancen.
Ihre gemeinsame Vergangenheit verbindet die Menschen der Ötztaler Alpen noch heute.
Das Tiroler Grauvieh verbringt seinen Sommer auf der Gampe Alm und genießt hier oben das beste Gras. Mit gesunden Kräutern und Almblumen. Die frisch gewonnene Milch wird auf der Alm von einem eigenen Melkstand aus in die mobile Käserei geleitet. Dort von Jakob Prantl verarbeitet und nach dem Reifeprozess als Käse zum Verkauf angeboten.
„Die Kuh ist kein Auto“ steht auf einem Schild. Auf einem anderen „Slow Food“ statt „Fast Life“. Tafeln erklären ihren Betrachtern, woher die Nahrung am Berg kommt. Wie sie hergestellt wird.
Man fühlt sich angesprochen und erfährt noch so nebenbei, was der Almbauer umweltbewussten Menschen noch so alles zu sagen hat. Beispielsweise, der Kuh werde nachgesagt, sie sei ein Klimakiller.
Jakob Prantl nimmt kein Blatt vor den Mund. „Gelegentlich rülpst die Kuh und gibt Gase frei. Die Kuh im Grasland ist Klimaschützerin. Durch die Bewegung und den Mist der Kuh wird Humus gebildet. Eine Tonne Humus bindet eine Tonne Kohlenstoffdioxid (CO₂).“
Das klingt glaubhaft, aber lässt sich hier vor Ort nicht weiter vertiefen. Eine, der hier beschäftigten Kühe, schaut uns beim Lesen zu. Als wisse sie genau, was wir da gerade über ihren ökologischen Nutzwert erfahren.
Spätestens an dieser Stelle fühlt man, dass die Gampe Thaya keine gewöhnliche Almwirtschaft ist.
Zum Frühstück gibts später Kräutertee, Eierspeisen, frische Milch, Speck und Grantn. Andrä und Daniel machen später ein wenig handgemachte Musik und Jakob erzählt uns, was ihm als Almwirt in den Ötztaler Alpen wichtig ist. Seine Buttermilch bezieht er direkt vom Bauern. „Wenn die aus ist, gibt es keine mehr.“
Dann schauen wir uns die alten Stuben an. Die ersten sind vor ein paar hundert Jahren genutzt worden. In der Zirbenstube mit dem schönsten Hergottswinkel laden wir Hüttenwirt Jakob Prantl auf ein Glasl Wein ein. Da gibt es so Vieles zu bestaunen. „Jakob der Jüngere“, ist einer von mindestens 23 Almwirten im hinteren Ötztal.
Die Almwirtschaft mit Bauernschaft wird vom Vater an den Sohn weitergegeben. „Das war bei uns schon immer so“, sagt Jakob. „Um unseren Bauernhof in Sölden kümmert sich jetzt mein Sohn. Traditionell eine Viehwirtschaft. Wir züchten Grauvieh.“
Elf Kühe reichen für den Almbetrieb, sagt der Jakob. „Alle anderen verdingen sich 700 Höhenmeter tiefer“.
„Wir haben vor 20 Jahren mit der Almwirtschaft hier begonnen“, erzählt der Ötztaler. Er und seine Familie symbolisieren die gelebte bäuerliche Tradition. »Der Gast hat sich stets so zu verhalten, dass sich der Wirt wohlfühlt«, steht über der Stube.
Der Journalist Andreas Wenderoth schreibt „Das ist durchaus so gemeint.“ Das, mit der Verhaltensempfehlung für den Gast. „Wenn bei Prantl Leute auflaufen, die glauben, für Geld könne man alles kaufen, belehrt er sie schnell eines Besseren. 3000 Euro hat ihm mal einer für eine Kuhglocke geboten. »Für kein Geld der Welt«, hat Prantl gesagt. „Die Glocke ist für die Kuh, nicht für den Menschen“.
„Ich verkauf alles, aber nicht mich selbst“, sagt Jakob Prantl zu der Geschichte.
Vor ein paar Jahren bekam das Almhütten-Original Besuch von dem Journalisten und Buch-Autoren Andreas Wenderoth. Der hat für „Die Zeit“ über ihn geschrieben. In seinem lesenswerten Artikel schreibt Wenderoth über Jakob Prantl: „Red Bull steht bei ihm unter »Fusel«, damit die Leute wissen, was er davon hält. Den Kakao gibts bei ihm nicht mit Wasser, sondern mit Kuhmilch, obwohl das anfangs vielen nicht zusagte. Aber es geht ihm ja auch nicht um die Zustimmung eines jeden. Würde er sonst überlegen, im nächsten Jahr Cola und Fanta von der Karte zu streichen?“
Auf unsere Frage, was er heute anders machen würde, antwortet Jakob Prantl: „Ich würde alles so belassen wie es vor 20 Jahren war. Kleiner, überschaubarer.“ Damit meint der Hüttenwirt vor allem die Erneuerungs- und Zubauten (wie die offene Küche, in die der Gast Einsicht hat).

„Ohne den Einzug der Moderne könnten wir dem Gästezuspruch nicht gerecht werden“, so Prantl.
Seit hunderten Jahren wird die Almwirtschaft der Familie Daniela und Jakob Prantl betrieben. „Als die Kinder noch klein waren, sind wir nur ab und zu heraufgekommen. Dann hab ich mich irgendwann an den Herd gestellt und gekocht.“ So habe das angefangen, erzählt der Hüttenchef.
Die Almwirtschaft Gampe Thaya ist im Sommer von Mitte Juni bis Anfang Oktober geöffnet.
Am Montag ist Ruhetag bei den Prantls. „Unsere Kühe sind bis 11. September auf der Alm. Unser Almsommer dauert heuer bis 2. Oktober, danach haben wir eine kleine Herbstpause, bis es Ende November mit dem Wintersport weiter geht.“
Wir bedanken uns, auch und vor allem beim Team in der Küche und versprechen, wieder zu kommen. „Jederzeit willkommen“, sagt Jakob Prantl. „Dann erzähle ich euch etwas mehr aus meinem Leben.“
Weblink: www.gampethaya.at
Gampe Alm – Frühstücksgespräche im Herrgottswinkel. (Fotos: Knut Kuckel)