Wir wollten mal wieder in aller Ruhe über all das reden, was Tiroler und Bayern seit ein paar Wochen bewegt. (Foto: Knut Kuckel)
(Foto: Knut Kuckel)

Gipfelgespräche am Wank – dem Werdenfelser Sonnenberg

Wir wollten mal wieder in aller Ruhe über all das reden, was Tiroler und Bayern seit ein paar Wochen bewegt. „Und dann möchten wir mal von Dir dorthin geführt werden, wo Du in Deiner neuen Heimat am liebsten bist.“ So kams zu den Tirolerisch-Bayerischen Gipfelgesprächen am Wank.

Die Kapellers aus Mieming gehören zu meinen besten Freunden. Nicht nur aus in Tirol, sondern auch darüber hinaus. Das sind Daniela und Martin, mit ihren Kindern Theresa und Manuel. Verabredet waren wir schon ein paar Wochen. Und bei mir daheim, in Partenkirchen, waren sie schon häufiger.

„Unser Vieh ist seit Mitte Juli auf der Hochfeldern Alm, die Kinder haben Sommerferien, jetzt könnten wir uns mal wieder verabreden“, schlug Martin vor. Als wir zuletzt miteinander telefonierten, ging es – wie immer – auch um Aktuelles, dass den Menschen unserer beider Länder auf den Nägeln brennt und für Schlagzeilen sorgt.

„Wie reagiert man in Bayern auf die Tiroler Verkehrspolitik?“ Die Frage stellte mir Martin Kapeller, kurz nachdem sich Deutschland und Österreich auf einen Maßnahmen-Plan für eine Entlastung des ständig wachsenden Transitverkehrs einigten.

Meine Antwort war: Ich denke das jüngste Treffen beider Länder in Berlin ist mit einem Wort auf den Punkt gebracht, „Eintracht“.

Martin erzählte mir, worüber man sich in Tirol aufregt – jenseits der Politik, die am Innsbrucker Landhausplatz gemacht wird. „Uns ärgert die Subventionierung des Fernlastverkehrs auf unterschiedlichsten Ebenen. Da wird mit EU-Mitteln der Transport von Milchprodukten nach Italien und wieder zurück nach Österreich gefördert. Macht das Sinn?“

„Nein“, sagte ich. Das ist nicht nachvollziehbar. „Deutschland, aber vor allem im betroffenen Bundesland Bayern, versteht man nicht die zögerliche Haltung der Verkehrspolitik in Berlin zur Entlastung der Brennerautobahn. Dass man sich beispielsweise seit Jahren auf deutscher Seite noch immer nicht über Zufahrtsstraßen zum neuen Brennerbasis-Tunnel einigen konnte.“

So geht’s hin und her. Dann fragt mich Martin, wie denn die Stimmung sei, bezüglich der Tiroler Blockabfertigungen der Fahrverbote auf den alten Brenner-Landstraßen und darüber hinaus?

„Ich habe mir in Vorbereitung auf unser Gespräch, um die 200 Kommentare auf einen ARD-Tagesschau-Beitrag zum Transitgipfel in Berlin durchgelesen“, so meine Antwort. „Die hatten mehrheitlich Verständnis für die Tiroler Verkehrspolitik. Der Tenor: Österreich tut was und Deutschland redet.“

Wir reden aber nicht nur über Politik, dass wäre hier und heute Zeitverschwendung.

Nach einer Tasse Kaffee bei mir daheim, machen wir uns auf den Weg zur Wankbahn-Talstation. Besuchen vorab die Wallfahrtskirche St. Anton. Die liegt auf dem Weg zur Talstation. Wir zünden am Altar vom Heiligen Antonius eine Kerze an und ich erzähle, weshalb man den „Antoni“ in Partenkirchen auch Schlampertoni“ nennt.

Dann schauen wir uns gemeinsam die Galerie der Gefallenen Soldaten beider Weltkriege entlang des Stiegenaufgangs zur Kirche an und fragen uns, wozu Krieg da sind? Daniela meint, man solle doch eine jährliche Wallfahrt zum Hl. Antonius in Partenkirchen anregen, um friedlich gegen alle Kriege und Gewaltdiktaturen dieser Welt zu protestieren.

Ich verspreche, mich schon bald einmal ausführlich mit ihrem Vorschlag zu beschäftigen. Wir gehen weiter und sind dabei im Gespräch über aktuelle Gesellschaftsfragen. Woran das wohl liegen mag, dass Gier und Egoismus anscheinend zunehmen? Wird die Masse der Gesellschaft wirklich dümmer? Oder kommt uns das nur so vor?

Wir bekommen Berg- und Talkarten für die Wankbahn, machen noch ein paar Erinnerungsfotos und steigen ein. Martin und die Kinder vorne, Daniela und ich eine Gondel dahinter.

Die Fahrt bis zu Mittelstation dauert ein paar Minuten, die wir zur Fortsetzung unserer Gespräche im Tal nutzen. Wir reden über persönliche Erlebnisse, die einem Demut abverlangen. Daniela sucht auf ihrem Handy ein passendes Foto aus. Über einem Gipfelkreuz öffnet sich der Himmel. Beim Betrachten des Bildes stimme ich zu, „da sind wir mit all unseren großen und weniger großen Sorgen ganz klein.“

Wir passieren die Mittelstation und sehen dann auch schon den Wankgipfel. Die Sonnenalm lassen wir hinter uns und gehen die paar Schritte weiter zum Wankgipfelhaus. Dabei sind wir überwältigt von dem Rundum-Panorama. Ich erzähle vom ersten Wankbahn-Plakat, mit dem die Partenkirchner vor 90 Jahren Sommerfrischler und „Brellbesitzer“ auf ihren 1780 Meter hohen Hausberg lockten.

Auf dem Plakat war eine, der ersten Kabinen abgebildet und vor der Kulisse von Alp- und Zugspitze gegenüber stand in Großbuchstaben „PARTENKIRCHEN – RUNDBLICK AUF 400 ALPENGIPFEL“. Niemand von uns hat Lust, zu überprüfen, ob wir hier oben, wirklich 400 Gipfel sehen können, aber keiner zweifelt ernsthaft daran, dass dies so ist.

Die Wank-Bahn wurde am 4. Mai 1929 eröffnet. Peter Blath zitiert in seinem Buch „Gipfelstürmer im Werdenfelser Land“ den Verfasser der ersten Presseinformation. Der schrieb damals: „In schmucken Kabinen fährt man an einer Seillänge von 2.670 m aboslut betriebssicher – ein Reißen der aus 115 Stahldrähten bestehenden 47,5 Millimeter Durchmesser betragenden Tragseiel ist unmöglich – in zehn Minuten auf den Wank – den Sonnenberg des Werdenfelser Landes.“

Etwa zur gleichen Zeit wurde durch den Volkstrachten-Verein Werdenfelser Heimat Partenkirchen auch das „Gipfelkreuz mit großer Kraftanstrengung auf den Wank gebracht und dort errichtet.“ Für meinen Beitrag in #tirolbayern bitte ich meine Freunde, ein Gipfelkreuz-Foto machen zu dürfen.

1960 erwarb die Sektion Garmisch-Partenkirchen das Grundstück, auf dem das Wankhaus steht, für 52.000 DM von der Bayerischen Forstverwaltung und ist seitdem Eigentümer der Fläche auf dem Wankgipfel.

Der Tiroler Martin Kapeller erzählt mir die Geschichte des Wankhauses. Am Stiegenaufgang, unter dem Schild dass auf den Eigentümer, den Deutschen Alpenverein verweist und auf Alois Huber, nachdem das Haus von der Hüttenwirtin Susanne Riesch benannt wurde.

„Heute würde wir sagen, der Wank war schon zur damaligen Zeit ein Publikumsmagnet. Voran ging es besonders Anfang der 1900er Jahre. Damals war Alois Huber Schatzmeister und Hüttenreferent der Sektion. Sein Einkommen verdiente Huber als Schnitzschul-Fachlehrer in Partenkirchen. Von ihm stammte auch die erste Inneneinrichtung.“

Alois Huber sei noch heute Vielen in Tirol bekannt. Auch seiner Generation, erzählt mir der 43jährige Martin Kapeller.

Von der Terrasse schauen wir auf das Alpenvorland um uns herum und sind für einen Moment ganz still. Die Aussicht bewegt. „Schön ist es hier, wo wir leben“, sagt Martin und blättert dabei in der Speisekarte des Wankhauses. Dann lacht er und bittet mich den Eintrag der Hüttenwirtin Martina Simon ein Foto zu machen. „Das glaubt mir wieder daheim kein Mensch!“

Der humorvolle Eintrag der Hüttenwirtin zielt auf Vieles ab, was in unseren Gesprächen heute schon thematisiert wurde.

Wir bedanken uns bei der freundlichen Kellnerin, für das gute Essen und den zugewandten Service. Bei über 200 Gästen mehr als anerkennenswert. Auf der Terrasse und im Hüttengasthaus saßen um uns herum zum Teil aufgeregte und gestresst wirkende Menschen mit kleinen und großen Kindern, Hunden und vergleichbaren Haustieren an langen und kurzen Leinen, die offensichtlich alle keine Zeit hatten und mehrheitlich um eine exklusive Bedienung baten.

Die Zeit vergeht und Blick auf den Wetterwechsel machen wir uns auf den Rückweg. Von der Mittelstation wählen wir für den Abstieg den Fußweg, der zwar für Menschen meiner Kondition etwas beschwerlich war, aber dafür viel Vergnügen machte.

Die Kapellers waren ja gottseidank dabei und versorgten mich mit ihren stützenden Armen und Stöcken und überließen mir auch noch ihre letzten Wasservorräte. Nachdem wir uns am „Gute-Hirtn“-Brunnen unterhalt des Partenkirchner Hasentals frisch machten, durfte ich mich später in Garmisch bei allen für ihre fürsorgliche Hilfe mit einem Eisbecher revanchieren.

Heute spüre ich noch jeden Muskel, worüber ich mich freue. Das war nämlich ein ganz besonders schöner Tag, gestern, am Sonnenberg im Werdenfelser Land.

(Fotos: Knut Kuckel)

Ich engagiere mich für Medienvielfalt und Qualität im Journalismus. Als Radiojournalist und Grenzgänger bin ich immer auch gerne Europäer. Mehr unter → Persönliches