Der Schilderwald scheint nicht selten ein Symbol für Ratlosigkeit zu sein. (Foto: Knut Kuckel)
Der Schilderwald scheint nicht selten ein Symbol für Ratlosigkeit zu sein. (Foto: Knut Kuckel)

Freiheit hat Grenzen – gut zu sein ist keine Schwäche

Wenn man das, was unsere Gesellschaft tagtäglich an Nachrichten produziert zur Kenntnis nimmt, wächst der Eindruck, dass wir in einer zunehmend unmenschlicher werdenden Gesellschaft leben. Wollen wir das? Wenn ja, wer will in dieser Gesellschaft gut oder böse sein?

Nach den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen macht sich Ernüchterung breit. Bei denen, die zum ersten Mal in voller Breite verloren haben und den anderen.

Zum ersten Mal wird öffentlich ausgesprochen, dass die meisten “Alternativ”-Wähler nicht nur aus Protest rechtsextrem gewählt haben, sondern bewusst.

Dabei wird uns bewusst, es gibt anscheinend in unserem Land nur gute und schlechte Menschen. Ist das so?

Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten, selbst gesellschaftspolitische Experten scheinen ratlos zu sein.

Diejenigen, die sich auf der Seite der Guten wähnen, glauben felsenfest daran, sie könnten den Bösen auf den Weg zum besseren Menschen helfen. In Einzelfällen der sozialen Rehabilitation, scheint das auch wirklich zu funktionieren.

Nicht so, bei der Kategorie Mensch, die das Gute im Menschen als Schwäche abqualifizieren.

Vor autoritären Politikern wie Trump, Erdogan, Putin, Xi Jinping, Baschar Hafiz al-Assad und all den anderen, war der „schlechte Mensch“ weniger öffentlich. Spätestens seit Trump ist das anders. Niedertracht ist öffentlich.

Machtmenschen halten sich nicht mit diplomatischen Floskeln auf, das beeindruckt jene, die sich nicht entscheiden können, ob sie „gut“ oder „schlecht“ sein wollen. Sie beginnen ihre Idole zu kopieren. Wohl auch, um vergleichbar stark zu sein?

In unserer Gesellschaft muss jeder für sich herausfinden, was recht ist.

Wahlergebnisse zeigen die Ergebnisse auf. In Thüringen hat zwar ein offensichtlich „Guter“ für sich die Wahl gewonnen, aber keine Mehrheiten auf seiner Seite. Gewonnen hat ein anderer. Den darf man öffentlich inzwischen sogar „Faschist“ nennen.

Jedem bleibt es in unserem Gesellschaftssystem vorbehalten, ob er sich auf Seite der Lautstarken oder bei den Menschen, die für leisere Töne stehen, einordnen möchte.

Sich für diesen Denkprozess Zeit zu lassen, ist empfehlenswert. Wenn uns die Geschichte etwas lehrt, dann das, dass Autokraten keine große Halbwertzeit hatten. Früher wie heute.

Menschen haben sich überall dort, wo sie leben wollten, mehr oder weniger durchsetzen müssen. Gewinner auf Zeit waren oft diejenigen, für die Recht und Gesetz nie Maßstab ihres Tuns war.

Freiheit, Demokratie, Recht und Wohlstand hat seine Grenzen. Weil eine auf Wachstum ausgerichtete Politik- und Gesellschaftsform immer mehr will, verletzt sie täglich die Regeln des menschlichen Miteinanders.

Wer Freiheiten aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, verdient weder Freiheit noch Sicherheit.

Benjamin Franklin, einer der Gründer der Vereinigten Staaten von Amerika

Deshalb werden wir wieder ratlos zuschauen müssen, wie ein Teil unserer Gesellschaft mehr und mehr Haltung verliert.

Meinungsfreiheit wird im Alltag immer häufiger missbraucht. Vielleicht auch deshalb, weil es keine strafbare Handlung in unserem Rechtssystem ist, Andersdenkende und anders handelnde Menschen öffentlich weit unter der Gürtellinie anzugreifen?

Wir empören uns. Das scheint Teil unserer neuen Wertewelt zu sein. Für die Opfer von Gewalttaten, zünden die Anständigen Kerzen an. Beten und halten Andacht. Es sind Minderheiten. Die Mehrheit schaut kopfschüttelnd zu. Ist ratlos.

In meinem Blog schreibe ich über persönliche Begegnungen und Erlebnisse. Von Hause aus Rundfunkjournalist, bin ich als Grenzgänger der Regionen immer auch gerne Europäer.